Kunsttherapie mit depressiven Kindern
Interview des Kölner Stadtanzeiger Magazins mit Michaela SPÄKER am 08.10.2013
Welche Farbe hat Traurigkeit?
Malen kann bei der Diagnose von Depressionen helfen:
Ein
Gespräch über kahle Bäume und die kindliche Lust am Pinsel
Frau SPÄKER, einer neuen Studie zufolge zeigen knapp zehn Prozent der Acht- bis 14-Jährigen alle Anzeichen einer
depressiven Störung. Wie können Eltern eine Depression bei ihrem Kind eigentlich erkennen?
SPÄKER
Das Verhalten der Kinder gibt Hinweise. Zieht sich das Kind oft zurück? Klagt es häufig über Kopf- und
Bauchschmerzen? Traut es sich nichts mehr zu, will nicht rausgehen? Fühlt es sich wertlos? Ist es appetitlos, kann nicht
gut einschlafen? Eine Depression hat viele Gesichter, zeigt aber meist eine gedrückte Stimmungslage. Bei Jugendlichen,
die in der Pubertät stecken ist es schwieriger. Die Eltern sollten jedoch immer wieder das Gespräch suchen.
Wie erkennen Sie als Psychotherapeutin eine Depression?
SPÄKER
Bevor ich eine Therapie einleite, nehme ich mir Zeit für eine ausführliche Diagnostik. Dabei prüfe ich die
fachlichen Kriterien, die für oder gegen eine Depression sprechen, wende bestimmte Testverfahren an und beobachte das
Verhalten des Kindes. Wie ist seine Mimik, sein Blick, wie die Körperhaltung? Oft ziehen sich Depressive in sich zurück,
beugen sich wie in einer Schutzhaltung leicht nach vorne. Wichtig sind auch die biografischen Umstände und die Frage
nach Vorerkrankungen ebenso in der Familie.
In der Kunsttherapie kommunizieren Therapeut und Patient über Bilder. Funktioniert das?
SPÄKER
Es ist ein natürliches Bedürfnis des Menschen, sich in Bildern auszudrücken. Schon ein Kind drückt seine
Befindlichkeiten und Fantasien in Bildern aus und zeigt damit: Schaut her, dass beschäftigt mich.
Geben Sie ein Thema vor?
SPÄKER
Das ist unterschiedlich und hängt vom Patienten ab. Mal lasse ich das Kind frei in der Gestaltung, oder ich male
mit ihm, dann ist es ein dialogisches Malen - der eine malt etwas, dann reagiert der andere darauf. Manchmal gebe ich
etwas vor und sage: Zeichne deine Wut oder Traurigkeit als Tier - wie sähe sie aus? Welche Farbe hätte sie?
Lässt sich aus einem Bild eigentlich eine Depression herauslesen?
SPÄKER
Aus einem allein sicher nicht. Gerade in der Diagnostik muss man mehrere Bilder haben, um Hinweise zu
bekommen. Dann muss man diese Anzeichen mit allen anderen diagnostischen Mitteln abgleichen. Erst dann ist eine
Diagnose möglich.
Also müssen Eltern nicht automatisch besorgt sein, wenn ihr Kind Schwarz in Bildern malt. . .
SPÄKER
Nein. Gerade jüngere Kindern nutzen oft Schwarz, um Konturen zu verdeutlichen. Wenn allerdings in den
Bildern übermäßig viel Schwarz auftaucht und die Bilder auch besonders leer sind, gibt es mögliche Hinweise. Aber auch
dann sollte man nichts überinterpretieren.
Auf welche Elemente in einem Bild oder beim Malvorgang achten Sie in der Therapie?
SPÄKER
Zum Beispiel: Wie ist der Umgang mit dem Material? Wie zeichnet das Kind? Drückt es den Stift zart oder fest
auf? Was fehlt im Bild, was ist übermäßig groß dargestellt? Was ist in der Mitte?
Was sind Warnzeichen für Sie?
SPÄKER
Heftige Farbkontraste etwa, Unruhe oder Starre im Bild. Aber es gibt nicht den einen Hinweis, man muss immer
das gesamte Bild betrachten. Leichter ist die Diagnose bei Menschendarstellungen: Wie stellt das Kind einen Menschen
dar, wie malt es sich selbst? Ganz klein, ohne Hände, womöglich ohne Mund. . . Oder man wendet den Baumtest und das Selbstporträt an.
Den Baumtest?
SPÄKER
In jedem Bild gibt es einen Anteil, der den Patienten selbst widerspiegelt. Oft steht der Baum für den Menschen.
An ihm kann man sehen: Fallen die Blätter? Hat er Narben? Wirkt er vital oder nicht?
Inwiefern ist das Malen selbst Therapie?
SPÄKER
Indem es das Kind entlastet, es können sich Spannungen lösen, wie beim Tagebuchschreiben.
Wie können Eltern ihr Kind beim Malen unterstützen?
SPÄKER
Wichtig ist, dass sie das Kind frei und ungezwungen malen lassen. Man sollte nicht alles sofort kommentieren.
Nicht abwerten, aber auch nicht übermäßig loben - ein Kind spürt, wenn ein Lob nicht ernst gemeint ist. Auch Vorzeichnen
ist nicht gut. Lieber sollte man sich gemeinsam mit dem Kind hinsetzen und fragen: Wie würdest du es denn machen?
Oder Kind und Eltern malen gemeinsam, jeder auf seinem Blatt. Das ist ja eine wunderbare gemeinsame Aktivität. Genau
daran fehlt es ja in vielen Familien heutzutage.
DAS GESPRÄCH FÜHRTE MICHAEL AUST
Bildtitel "Die Sonne fällt ins Meer / es tobt" BILD JÖRN NEUMANN Honoriert zur
Erstveröffentlichung ausschließlich im Kölner Stadt-Anzeiger. Weitergabe an Dritte nur nach Absprache mit dem Urheber. Copyright
JÖRN Neumann
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Bild Kunsttherapeutin Michaela SPÄKER
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